Die EUDR betrifft nicht nur Rohstoffhändler:innen und große Konzerne. Auch mittelständische Unternehmen sind überraschend oft Teil von EUDR-relevanten Lieferketten. Unsere erweiterte Checkliste hilft bei der präzisen Selbsteinschätzung. Dazu zeigen wir versteckte Risikoquellen, ungewöhnlich betroffene Branchen und konkrete Praxisbeispiele.
20.08.2025
4 Minuten Lesezeit

EUDR in der Praxis: Der Hidden Champion-Effekt bei Mittelständler:innen
Während sich Großkonzerne bereits seit Monaten EUDR-bereit machen, herrscht im Mittelstand oft noch Unklarheit. Die häufigste Fehleinschätzung: „Wir handeln weder mit Palmöl noch mit Tropenholz – uns betrifft das nicht.“ Diese Sichtweise greift jedoch zu kurz.
Die EUDR funktioniert nach dem Domino-Prinzip: Ein einziger betroffener Rohstoff in der Lieferkette kann das gesamte Endprodukt regulierungspflichtig machen. Besonders tückisch sind dabei sogenannte „Stealth Components“ – Materialien, die so selbstverständlich verwendet werden, dass sie bei der Risikoanalyse übersehen werden.
Um diese verborgenen Risiken aufzudecken, haben wir eine mehrstufige Checkliste entwickelt, die von der oberflächlichen Betrachtung bis zur forensischen Lieferkettenanalyse reicht.
Die 3-Level-EUDR-Checkliste: Von Basic bis Forensic
Level 1: Basis-Check
- Direkten Rohstoffbezug prüfen
- Verwenden Sie eines der sieben EUDR-Risikomaterialien direkt? (Holz, Soja, Palmöl, Rinder, Kaffee, Kakao, Kautschuk)
- Verkaufen Sie daraus hergestellte Endprodukte? (Möbel, Lederwaren, Schokolade, Reifen, etc.)
- Handelsaktivitäten bewerten
- Importieren Sie Waren aus Nicht-EU-Ländern?
- Exportieren Sie in Nicht-EU-Länder?
- Fungieren Sie als Zwischenhändler:in oder Distributor:in?
- Unternehmensgröße einordnen
- Erfüllen Sie zwei der drei Kriterien: >25 Mio. € Bilanzsumme, >50 Mio. € Umsatz, >250 Mitarbeitende?
- Arbeiten Sie als Kleinunternehmen mit großen, EUDR-pflichtigen Kund:innen zusammen?
Level 2: Erweiterte Analyse
- Stealth Components identifizieren
- Verpackungsmaterialien: Kartonverpackungen (Holzanteil), Holzpaletten, Füllmaterialien, die einzeln vertrieben werden
- Hilfsstoffe: Trennmittel in der Produktion, Oberflächenbehandlungen, Klebstoffe
- Indirekte Inhaltsstoffe: Emulgatoren (palmölbasiert), Weichmacher (sojabasiert), Naturgummi-Komponenten
- B2B-Risiko-Kaskade analysieren
- Fordern Ihre Großkund:innen bereits EUDR-Konformitätsnachweise?
- Sind Sie Teil einer Lieferkette, die bei einem Global Player endet?
- Würde ein EUDR-Verstoß zu Vertragsstrafen oder Listenstreichungen führen?
- Produktions- und Logistikprozesse screenen
- Welche Materialien verwenden Sie für Prototyping und Werkzeugbau?
- Nutzen Sie biologisch abbaubare oder „nachhaltige“ Materialien? (Oft EUDR-relevant!)
- Welche Dienstleister:innen handhaben Ihre Logistik und Verpackung?
Level 3: Forensic Analysis (Profi-Audit)
- Lieferketten-Taxonomie erstellen für Erst-Importierende
- Kartieren Sie alle Materialströme bis zur 3. Lieferant:innenstufe
- Identifizieren Sie geografische Hotspots (Brasilien, Indonesien, Malaysia, Kongo, etc.)
- Analysieren Sie saisonale Schwankungen in der Beschaffung
- Compliance-Gap-Analyse durchführen
- Welche Ihrer Lieferant:innen können bereits Geodaten und Entwaldungsfreiheit nachweisen?
- Wo fehlen Legal Compliance-Nachweise aus Herkunftsländern?
- Haben Sie alternative Bezugsquellen für kritische Materialien?
- Technische Infrastruktur bewerten
- Können Sie Chargenverfolgung bis zum Rohstoffursprung leisten?
- Verfügen Sie über APIs für Lieferantendatenabgleich?
- Nutzen Sie bereits Blockchain oder ähnliche Traceability-Technologien?
Praxisbeispiel: Ein Schokoproduzent und die Sache mit der Kakaobutter
Ein kleines Schokoladenunternehmen produziert Tafelschokolade und Trinkkakaopulver auf Kakaobasis. Die verwendeten Rohstoffe – Kakaomasse, Kakaobutter und Kakaopulver – stammen aus einer bereits EUDR-konformen Lieferkette. Bezogen wurden sie von einem größeren, europäischen Kakaoverarbeiter, der die Bohnen direkt importiert und entsprechend alle erforderlichen Sorgfaltspflichten erfüllt hat.1
Das Schokoladenunternehmen selbst ist ein klassisches KMU und gilt damit als „downstream SME operator“. Laut EUDR ist es dadurch nicht verpflichtet, eine eigene Sorgfaltserklärung abzugeben – allerdings muss es die bestehenden Due-Diligence-Referenznummern seiner Lieferant:innen sorgfältig dokumentieren2 und bei Ausfuhren in Drittländer im Zollsystem mit angeben.3
Besonderheit: Das Unternehmen exportiert Schokoladenprodukte regelmäßig in Nachbarländer außerhalb der EU. Hier greifen die Ausfuhrpflichten der EUDR: Beim Export muss nachgewiesen werden, dass die genutzten Rohstoffe entwaldungsfrei sind – auch wenn keine eigene Erklärung notwendig ist.4
Die Erkenntnis: Die EUDR wirkt über den eigentlichen Import hinaus. Obwohl das Unternehmen selbst keine Rohstoffe aus Drittstaaten einführt, war es plötzlich verpflichtet, bei jeder Ausfuhr EUDR-konforme Nachweise vorzulegen. Die bisher informelle Lieferantenkommunikation reichte dafür nicht aus – es brauchte strukturierte, revisionssichere Nachweise mit eindeutiger Referenzierung. Das wurde dem Unternehmen erst durch Rückfragen des Zolls bewusst.
Lösung: Das Unternehmen implementierte eine interne Dokumentationsroutine zur Archivierung der Due-Diligence-Referenzen und integrierte diese in die Exportprozesse. Mithilfe einer einfachen Schnittstelle zur Zoll-Software werden die EUDR-relevanten Angaben nun automatisch übertragen. Zusätzlich wurden die Einkaufsverträge um eine Klausel zur EUDR-Konformität ergänzt, um die Rückverfolgbarkeit abzusichern.
Learning: Wer als KMU Produkte verarbeitet, die unter die EUDR fallen, kommt um das Thema Sorgfaltspflicht nicht herum. Selbst ohne eigene Importverantwortung kann ein Unternehmen durch Exportpflichten oder durch Anforderungen von Kund:innen gezwungen sein, die Nachweise lückenlos vorzuhalten.
Branchen unter dem Radar: Wo die EUDR überrascht
Branche | Versteckte Risikoquellen | Häufige Fehleinschätzung |
---|---|---|
Medizintechnik | Naturlatex in Dichtungen, Holzfaser in Verpackungen | „Wir sind hochtechnologisch, keine Agrarrohstoffe“ |
Automobilzulieferung | Kautschuk in Dichtungen, Leder in Premium-Komponenten | „Nur OEMs sind betroffen“ |
Elektronikindustrie | Palmöl-Derivate in Isoliermaterialien, Holz in Transportverpackungen | „Elektronik = synthetische Materialien“ |
Kosmetik/Pharma | Kakao-/Palmöl-Tenside, Sojalecithin als Emulgator | „Nur Naturkosmetik ist risikoreich“ |
Textil/Bekleidung | Leder-Accessoires, Naturkautschuk in Funktionskleidung | „Nur Fast Fashion hat Compliance-Probleme“ |
Chemische Industrie | Bio-basierte Rohstoffe, nachwachsende Grundstoffe | „Synthetische Chemie ist EUDR-neutral“ |
Handwerk/Baugewerbe | Holzwerkstoffe, Naturkautschuk-Abdichtungen | „Lokale Beschaffung = kein EUDR-Risiko“ |
Der Technologie-Faktor: Warum Excel nicht mehr reicht
Die EUDR verlangt lückenlose Dokumentation mit Geodaten, Zeitstempeln und Rechtsnachweisen. Manuelle Prozesse stoßen schnell an ihre Grenzen:
Kritische Datenmengen:
- Ein mittelständisches Unternehmen verarbeitet durchschnittlich 200–500 verschiedene Materialien
- Pro Material sind 15–25 Compliance-Parameter zu dokumentieren
- Bei 3-stufiger Lieferkettenanalyse entstehen 1.500–3.750 zu verwaltende Datenpunkte
Automatisierungsoptionen:
- Satellite Monitoring: Automatische Überwachung von Produktionsflächen via Satellitenbilder
- Blockchain Traceability: Unveränderliche Dokumentation von Lieferkettenschritten
- API-Integration: Direkter Datenaustausch mit Lieferant:innen und Zertifizierungsstellen
- KI-basierte Risikoanalyse: Automatische Bewertung von Lieferant:innen und Regionen
Extra-Tipp:
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Praxisrelevante Next Steps: Ihr Fahrplan
Woche 1 & 2: Sofortmaßnahmen
- Vollständige Materialinventur durchführen
- Lieferant:innen über EUDR-Anforderungen informieren
- Kritische Materialien priorisieren
Woche 3 bis 8: Struktureller Aufbau
- Supplier-Assessment implementieren
- Dokumentationsstandards definieren
- Software-Lösungen evaluieren
Woche 9 bis 12: Operative Umsetzung
- Pilotprojekt mit einem kritischen Material starten
- Mitarbeitende schulen
- Monitoring-Prozesse etablieren
Fazit: EUDR als Katalysator für Supply Chain Excellence
Die EUDR mag zunächst als regulatorische Belastung erscheinen. Doch Unternehmen, die sie strategisch angehen, entdecken oft unerwartete Vorteile: erhöhte Lieferkettentransparenz, verbesserte Beziehungen zu Lieferant:innen und gestärkte Wettbewerbsposition bei nachhaltigkeitsorientierten Kund:innen.
Die Checkliste zeigt: Betroffenheit ist oft da, wo man sie nicht erwartet. Wer jetzt systematisch vorgeht, verwandelt Compliance-Risiken in strategische Vorteile.
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Volle Transparenz über Erzeugnisse, Lieferant:innen und SE-Erklärungen mit systematischer Prozessbegleitung.

Quellen & weiterführende Informationen:
1 EUDR Compliance Guidance I Europäische Kommission
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