Doppelte Wesentlichkeitsanalyse: So filtern Sie die ESRS für einen erfolgreichen CSRD-Bericht

Für CSRD-pflichtige Unternehmen führt kein Weg an der doppelten Wesentlichkeitsanalyse vorbei. Doch wenn Sie es richtig angehen, wird aus der unliebsamen Pflicht das Fundament für einen erfolgreichen ESRS-Bericht und zukunftsfähige Wettbewerbsvorteile. Wir erklären den Prozess in vier Schritten.

27.06.2024

10 Minuten Lesezeit

Die Europäische Union hat die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)1 eingeführt. Diese Verordnung erweitert die bestehenden Berichtspflichten, um sicherzustellen, dass Umwelt-, soziale und Governance-Themen (ESG) auf eine Ebene mit finanziellen Themen gestellt werden.

Für etwa 15.000 Unternehmen in Deutschland bedeutet dies, dass sie nun gemäß den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) Nachhaltigkeitsberichte erstellen müssen. Die ESRS sollen sicherstellen, dass diese Berichte transparent, vergleichbar und von hoher Qualität sind. Die doppelte Wesentlichkeit bildet dafür die Grundlage.

Was bedeutet doppelte Wesentlichkeit?

Bislang lag der Fokus darauf, wie sich Nachhaltigkeitsthemen auf das Unternehmen und die Interessen der Shareholder auswirken („Outside-In-Perspektive“). Nun geht es zusätzlich darum, welchen Einfluss das Unternehmen auf die Umwelt, Menschen und das Klima hat („Inside-Out-Perspektive“). So werden die Belange verschiedenster Stakeholder berücksichtigt. Die doppelte Wesentlichkeit erweitert damit das „einfache“ Wesentlichkeitsprinzip aus der Non-Financial Reporting Directive (NFRD).

Über alle Faktoren, die aus mindestens einer dieser beiden Perspektiven wesentlich sind, müssen Unternehmen, die laut CSRD-Richtlinie  berichtspflichtig sind, Auskunft geben. Dabei hilft Ihnen die Wesentlichkeitsanalyse.

Was ist eine Wesentlichkeitsanalyse?

Für Ihren CSRD-Bericht müssen Sie sich nach den ESRS richten. Neben den branchenübergreifenden Standards sollen zunehmend auch sektorspezifische Standards gelten. Sie müssen aber nicht zu allen ESRS berichten – sondern nur zu den wesentlichen. Mit der Wesentlichkeitsanalyse finden Sie heraus, welche das in Ihrem Fall sind.

Die Wesentlichkeitsanalyse fungiert also als Filter, der die Berichtsthemen bestimmt. Während Sie diese Analyse durchführen, generieren Sie im Idealfall jedoch auch bereits Berichtsinhalte. In der leadity-Software ist dieser Prozess so angelegt, dass die Wesentlichkeitsanalyse das Fundament für Ihren CSRD-Bericht und Ihre ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie bildet. Über die lästige Pflicht hinaus, ergeben sich daraus verschiedene Vorteile.

Warum brauchen Sie eine Wesentlichkeitsanalyse?

Die Europäische Union will immer mehr Unternehmen verpflichten, transparent über ihren sozialen und ökologischen Fußabdruck zu berichten – ein wichtiger Schritt für den nachhaltigen Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft.

Für die meisten Unternehmen bedeutet dies einen erheblichen Mehraufwand. Doch Sie gewinnen durch die doppelte Wesentlichkeitsanalyse auch wertvolle Erkenntnisse, um…

  • Ihr Risikomanagement zu stärken
  • Neue Geschäftsmodelle zu entwickeln
  • Kund:innen und Mitarbeitende zu gewinnen
  • Zukunfts- und wettbewerbsfähig zu bleiben

Die Wesentlichkeitsanalyse ist nicht nur einmalig zu erledigen. Vielmehr handelt es sich um einen wiederkehrenden Prozess, über den Sie jährlich im Rahmen der CSRD berichten. Dieser Prozess lässt sich jedoch auf vier Schritte herunterbrechen

Doppelte Wesentlichkeitsanalyse nach CSRD in vier Schritten

Genauso individuell wie das Ergebnis Ihrer Wesentlichkeitsanalyse, wird auch der Prozess in Ihrem Unternehmen sein. Je nachdem, über welche Expertise und Strukturen Sie intern verfügen, sollten Sie sich durch externe Berater:innen2 unterstützen lassen.

Wichtig ist, dass allen Beteiligten die Relevanz und der Umfang der doppelten Wesentlichkeitsanalyse bewusst ist. Zur Erinnerung: Der Nachhaltigkeitsbericht soll auf einer Stufe mit dem Finanzbericht stehen. Dementsprechend sollten Sie ähnliche personelle und monetäre Ressourcen dafür einplanen.

Innerhalb des Nachhaltigkeitsteams müssen die Aufgaben klar verteilt sein und ein gemeinsamer Zeitplan festgelegt werden. Als Grundlage dafür dienen die folgenden vier Schritte.

In der Praxis erledigen Sie die Schritte eins, zwei und drei eventuell parallel zueinander. In jedem Fall müssen Sie das Erfassen der Inside-Out- sowie Outside-In-Perspektive abschließen, bevor Sie im vierten Schritt die Wesentlichkeitsanalyse abschließen. Die Anspruchsgruppenanalyse kann jedoch auch noch im Anschluss daran stattfinden – diesbezüglich machen die ESRS keine klaren Vorgaben.

1.   Inside-Out-Perspektive: Die „impact materiality“ erfassen und bewerten

Um die Inside-Out-Perspektive abzudecken, erfassen Sie die positiven und negativen Einflüsse, die Ihr Unternehmen auf Klima, Umwelt und Menschen hat. Die Themen können von Treibhausgasemissionen bis hin zu Diversität im Team reichen.

Erstellen Sie zunächst eine Longlist potenzieller Auswirkungen, indem Sie sich einen Überblick über die Produkte und Dienstleistungen verschaffen und diese entlang der gesamten Wertschöpfungskette betrachten. Berücksichtigen Sie auch Themen, die grundsätzlich für Ihre Branche oder in Ihrem Umfeld relevant sind.

Die Relevanz einer Auswirkung bewerten Sie dann anhand ihres Schwere- bzw. Wirkungsgrads und der Wahrscheinlichkeit, mit der diese eintritt. Beide Faktoren können Sie auf einer Skala von eins bis fünf einordnen. So gilt die Formel:

Schwere bzw. Wirkung [1-5] x Wahrscheinlichkeit [1-5] = Wesentlichkeit [1-25]

Darüber hinaus müssen Sie für Ihre Berichterstattung dokumentieren, in welchem Zeitrahmen (kurz-, mittel- oder langfristig) mit der jeweiligen Auswirkung zu rechnen ist.

2.   Outside-In-Perspektive: Die „financial materiality“ erfassen und bewerten

Um die Outside-In-Perspektive abzudecken, erfassen Sie die Risiken und Chancen, die sich für Ihr Unternehmen aus verschiedenen Nachhaltigkeitsfaktoren ergeben. Das können zum Beispiel Anpassungskosten an den Klimawandel oder neue Möglichkeiten aufgrund von Migration sein.

Erstellen Sie zunächst wieder eine Longlist, um sich einen Überblick über potenziell einflussreiche Veränderungen in Umwelt und Gesellschaft entlang Ihrer Wertschöpfungskette zu verschaffen. Notieren Sie sich auch die Kernthemen, die in Ihrer Branche oder Ihrem Umfeld grundsätzlich relevant sind.

Die Relevanz der Chancen und Risiken ergibt sich explizit aus der finanziellen Perspektive des Unternehmens. Bewerten Sie die einzelnen Themen anhand der Wahrscheinlichkeit und der Größe des Schadens oder des Nutzens. So gilt:

Schaden bzw. Nutzen [1-5] x Wahrscheinlichkeit [1-5] = Wesentlichkeit [1-25]

Auch in diesem Fall wird der jeweils erwartete Zeitrahmen (kurz-, mittel- oder langfristig) dokumentiert.

3. Validierung: Interessens- bzw. Anspruchsgruppen einbeziehen

Im Rahmen der ESRS sind Sie verpflichtet, in den Dialog mit verschiedenen Anspruchsgruppen zu treten. Keine Sorge, das bedeutet nicht, dass Sie „alles mit allen“ besprechen müssen!

Beginnen Sie auch diesen Teil der Wesentlichkeitsanalyse, indem Sie eine Longlist von Gruppen erstellen, die potenziell von Ihrem Unternehmen beeinflusst werden. Anschließend sortieren Sie diese nach Wichtigkeit und treten in einen Austausch mit den relevantesten Interessensgruppen.

„Wir raten dazu, nicht in Panik zu geraten, durchzuatmen und erstmal zu schauen: Was habe ich denn eigentlich als Unternehmen schon, was auf das Thema Nachhaltigkeit einzahlt?“

Jörg Högemann,
Geschäftsführender Gesellschafter
bei einfach.effizient. Treuhand Unternehmensberatung3

Mit vielen Anspruchsgruppen – z.B. Lieferanten, Kund:innen, Geschäftspartner:innen – stehen Sie wahrscheinlich bereits in Kontakt. Einige andere Interessensgruppen können Sie bündeln, indem Sie mit deren Vertreter:innen sprechen – z.B. Betriebsrat, Gewerkschaften, Verbraucherzentrale4. Die Perspektive von stillen Anspruchsgruppen, wie der Natur, können Sie selbst abbilden oder beispielsweise durch Umweltschutzverbände5 vertreten lassen.

Im Idealfall tauschen Sie sich auch für die Themenfindung in Schritt eins und zwei Ihrer Wesentlichkeitsanalyse mit den relevantesten Anspruchsgruppen aus. In jedem Fall sollten Sie die von Ihnen erarbeiteten wesentlichen Themen durch diese Gruppen validieren zu lassen. Die Interessensvertreter:innen dienen somit als Kontrollorgan, liefern Ihnen aber auch wertvolle Impulse für mögliche Lösungsansätze.

4.   Clustering: Wesentlichkeitsliste und Wesentlichkeitsmatrix erstellen

Zuletzt müssen Sie alle Themen, die Sie in den vorangegangenen Schritten als wesentlich identifiziert haben, den entsprechenden Sub- und Sub-Sub-Themen der ESRS zuordnen.  

Die CSRD sieht vor, dass Sie in einer ESRS-Liste alle Auswirkungen, Risiken und Chancen (IRO) dokumentieren. Darüber hinaus ist es hilfreich, wenn Sie eine Wesentlichkeitsmatrix erstellen. Darin werden alle wesentlichen Themen grafisch dargestellt.

Beispiel für die doppelte Wesentlichkeitsanalyse

Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse wirkt auf den ersten Blick wie eine Mammutaufgabe. Wichtig ist, dass Sie diese in kleinere Teilschritte zerlegen und sich auf die Informationen und Quellen besinnen, die Sie bereits haben.

Um Ihnen dabei zusätzliche Orientierung zu geben, haben wir eine Wesentlichkeitsanalyse für ein fiktives Unternehmen durchgeführt. Die leadity-Software erstellt aus den angegebenen Informationen und entsprechend dem Clustering automatisch eine Wesentlichkeitsmatrix.

In der leadity-Software wird die Outside-In-Perspektive auf der y-Achse und die Inside-Out-Perspektive mit der x-Achse abgebildet. Die ESG-Themenbereiche sind durch unterschiedlich farbige Kreise unterschieden. Die Bewertung der Anspruchsgruppen zeigt sich an der jeweiligen Kreisgröße. Zusätzlich werden die Themen entsprechend der ESRS-Vorgaben in Form einer Liste zusammengefasst.

Wir hoffen dieser Beitrag gibt Ihnen ein klareres Bild von der doppelten Wesentlichkeit. Ergänzend gibt Ihnen dieser Artikel zur CSRD-Richtlinie einen Überblick des gesamten Prozesses bis zum fertigen ESRS-Bericht – schließlich ist die doppelte Wesentlichkeitsanalyse nur der Anfang.

Wenn Sie ganz sichergehen wollen, dass am Ende ein rechts- und revisionssicherer Bericht dabei herauskommt, empfehlen wir Ihnen unsere zertifizierte Software zu nutzen. Fordern Sie dafür gerne eine Demo bei uns an.

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Pia ist als Content Managerin bei leadity dafür zuständig, komplexe Nachhaltigkeitsthemen einfach auf den Punkt zu bringen. Das tut sie hier im Magazin, in unserem Newsletter und auf LinkedIn.


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