Was bedeuten die aktuellen regulatorischen Entwicklungen für Unternehmen? Warum gilt es jetzt, nicht den Anschluss zu verlieren? Und wie gelingt praxisnahes Nachhaltigkeitsmanagement? Dr. Axel Kölle, Gründer des Zentrums für Nachhaltige Unternehmensführung, spricht im Interview über aktuelle Herausforderungen, den Nutzen des ZNU Standards und zentrale Erfolgsfaktoren für den Mittelstand.
25.06.2025
4 Minuten Lesezeit

„Wer jetzt innehält, riskiert, morgen den Anschluss zu verlieren“, sagt Dr. Axel Kölle vom Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung der Universität Witten/Herdecke. Im Interview erklärt er, warum ESG-Anforderungen trotz Omnibus-Verfahren relevant bleiben, wie mittelständische Unternehmen Nachhaltigkeit als Chance nutzen können – und welche Rolle praxisnahe Systeme wie der ZNU Standard Nachhaltiger Wirtschaften dabei spielen.
Wissenschaft trifft Praxis: Über das ZNU und Dr. Axel Kölle
Das ZNU – Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung der Universität Witten/Herdecke1 ist ein anwendungsorientiertes Forschungsinstitut, das Wirtschaft und Wissenschaft zusammenbringt. Es macht Nachhaltigkeit für Unternehmen und Führungskräfte greifbar, begeistert für die Chancen nachhaltiger Unternehmensführung und fördert durch Forschung, Lehre und Weiterbildung nachhaltige Unternehmenspraktiken – ganz im Sinne seines Mottos: „driving sustainable change“.
Das ZNU ist Standardgeber des ZNU Standard Nachhaltiger Wirtschaften. Dieser ist extern zertifizierbar2 und dient der Implementierung eines ganzheitlichen Managementprozesses.
Er ermöglicht Unternehmen und Akteur:innen von der Defensive in die Offensive zu gelangen; von der reinen Einhaltung von Nachhaltigkeitsrichtlinien zum Erleben und Ausschöpfen der Potenziale von nachhaltigerem Wirtschaften. Der ZNU Standard ist modular aufgebaut und lässt sich unkompliziert auf jede Branche und Unternehmensgröße anpassen.
Dr. Axel Kölle ist gemeinsam mit Dr. Christian Geßner Gründer und Leiter des ZNU und geschäftsführender Gesellschafter der Nachhaltigkeitsberatung fjol GmbH3. Seit über zwanzig Jahren ist er in Weiterbildung, Forschung, Lehre und Beratung rund um das Thema Nachhaltigkeit tätig. Dabei liegt sein Fokus insbesondere auf dem Risikomanagement, Personal- und Organisationsentwicklung sowie Klimaschutzstrategien. Axel Kölle ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen und einer Tochter.
Interview mit Dr. Axel Kölle vom ZNU
Wie blicken Sie angesichts Ihrer langjährigen ESG-Erfahrung auf die aktuellen regulatorischen Unsicherheiten?
Die aktuelle Diskussion um das Omnibus-Simplification-Package zeigt deutlich, dass die politische Lage in Bewegung ist. Das verunsichert viele Unternehmen. Klar ist: Die regulatorischen Anforderungen wie CSRD, EU-Taxonomie oder LkSG verschwinden nicht, sie werden nur neu justiert. Eine vorübergehende Entlastung, zum Beispiel durch die Verschiebung der Berichtspflicht, kann für den Mittelstand hilfreich sein. Aber sie darf nicht als Einladung zum Stillstand verstanden werden. Wer jetzt innehält, riskiert, morgen den Anschluss zu verlieren.
Bezogen auf die wichtige Anspruchsgruppe Banken und damit verbundene Kreditvergabe lässt sich übrigens festhalten, dass es hier bezüglich der ESG-Ratings keinesfalls „Entlastungen und Verschiebungen“ gibt, vielmehr ist hier von verbindlicheren Anforderungen auszugehen. Aus unserer Erfahrung und aus Studien wissen wir, dass Unternehmen, die Nachhaltigkeit schon früh strategisch verankert haben, heute resilienter sind – wirtschaftlich, gesellschaftlich und ökologisch. Grundlegend begrüßen wir seitens des ZNU das Omnibus-Verfahren, da es die Unternehmen – insbesondere den Mittelstand – entlastet.
Im Interview:

Dr. Axel Kölle
Gründer & Leiter, ZNU
Warum lohnt sich Nachhaltigkeitsmanagement für mittelständische Unternehmen auch unabhängig von gesetzlichen Vorgaben?
Ganz einfach: Weil Nachhaltigkeit nicht als Pflicht, sondern als Chance betrachtet werden sollte. Wer Nachhaltigkeit als strategisches Steuerungsthema versteht, stärkt sein Unternehmen langfristig – durch eine höhere Resilienz, verbesserte Marktposition und Zugang zu Kapital. Gerade im Mittelstand sehen wir viele Vorreiter, die erkannt haben, dass sich das auszahlt.
Kunden, Investoren und auch potenzielle Mitarbeitende schauen ganz genau hin, wie verantwortungsvoll ein Unternehmen agiert.
Dr. Axel Kölle, ZNU – Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung der Universität Witten/Herdecke
Ich bin deshalb davon überzeugt, dass Nachhaltigkeit kein Selbstzweck ist, sondern ein Wettbewerbsvorteil, ganz unabhängig von Fristen oder gesetzlichen Vorgaben. Man muss es allerdings richtig anpacken.
Wie können kleine und mittlere Unternehmen mit begrenzten Ressourcen einen Einstieg in ein strukturiertes Nachhaltigkeitsmanagement finden?
Der Einstieg muss nicht perfekt sein. Wichtig ist, ihn irgendwann bewusst zu machen. Kleine und mittlere Unternehmen profitieren dabei enorm von pragmatischen, anwendungsnahen Tools. Genau dafür haben wir am ZNU schon 2012 den Standard „Nachhaltiger Wirtschaften“ entwickelt. Das ist ein freiwilliges, zertifizierbares System, das Unternehmen jeder Größe hilft, ihre Nachhaltigkeits-Leistungen systematisch zu verbessern. Über 130 Unternehmen sind bereits zertifiziert. Unsere Devise: lieber starten und lernen, als auf die perfekte Lösung zu warten. Grundlegend werden in jedem Unternehmen bereits tolle Einzelprojekte umgesetzt, diese gilt es dann der Gesamtsystematik zuzuordnen. Diese Vorgehensweise trägt stark zur Akzeptanz bei den Beschäftigten bei.
Was sind typische Herausforderungen in der Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien – und wie lassen sich diese in der Praxis erfolgreich bewältigen?
Eine häufige Herausforderung ist die fehlende Orientierung: Was ist konkret zu tun? Wie viel Aufwand steckt dahinter? Gerade im Hinblick auf wechselnde Regulierungslagen entstehen hier Unsicherheiten bei allen Beteiligten. Aus meiner Erfahrung heraus ist ein strukturierter Prozess, der Prioritäten setzt und die Menschen im Unternehmen mitnimmt dabei enorm hilfreich.
Dr. Axel Kölle, ZNU – Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung der Universität Witten/Herdecke
Eine weitere Herausforderung ist die isolierte Betrachtung von Nachhaltigkeit als „Compliance-Thema“, für das nur der oder die Nachhaltigkeitsmanager:in zuständig ist. Wenn Nachhaltigkeit wirksam werden soll, muss das Thema allerdings in die Strategie und Kultur integriert werden. Hier setzen wir auf Bewusstseinsbildung, partizipative Formate und die Verknüpfung von Nachhaltigkeits-Zielen mit operativen Kennzahlen.
Welche konkreten Schritte empfehlen Sie Unternehmen, die Nachhaltigkeit strategisch angehen und sich zukunftsfähig aufstellen möchten?
Erstens: Klarheit schaffen – durch eine Wesentlichkeitsanalyse und die Definition relevanter Ziele. Zweitens: Verantwortung verankern – in den Fachbereichen, aber auch bei der Geschäftsführung. Drittens: Prozesse strukturieren und konkrete Maßnahmen umsetzen – mit einem praktikablen Managementsystem wie dem ZNU Standard Nachhaltiger Wirtschaften. Viertens: Wirkung messen – durch Kennzahlen, Feedbacksysteme und Third-Party-Audits. Und ganz wichtig: nicht auf die äußeren Umstände warten, sondern einfach anfangen!
Was zeichnet den ZNU Standard „Nachhaltiger Wirtschaften“ im Vergleich zu anderen ESG-Rahmenwerken aus?
Der ZNU Standard ist praxisnah, wissenschaftlich fundiert und ganzheitlich. Er umfasst Umwelt, Soziales und Unternehmensführung und bietet Unternehmen ein langjährig erprobtes Instrument, um Nachhaltigkeit strategisch zu verankern. Anders als viele regulatorisch getriebene Rahmenwerke ist der ZNU Standard freiwillig, aber zertifizierbar und damit sowohl glaubwürdig als auch flexibel. Unsere Erfahrung aus über zehn Jahren zeigt: Er funktioniert für Mittelständler genauso wie für Konzerne, für Produktionsunternehmen genauso wie für Dienstleister.

Und vor allem: Er bringt Wirkung. Im Gegensatz zu anderen Werken ist unser System kein Berichtsansatz, sondern stellt das tatsächliche Machen und Verbessern in den Mittelpunkt. Hierüber kann das Unternehmen dann schlussendlich auch glaubwürdig kommunizieren.
Welche Top-Tipps haben Sie für einen erfolgreichen und effizienten Zertifizierungsprozess?
Beginnen Sie mit einer ehrlichen Bestandsaufnahme. Wo steht Ihr Unternehmen heute? Dann: Binden Sie frühzeitig relevante Abteilungen ein und schaffen Sie Klarheit über Rollen und Verantwortlichkeiten. Nutzen Sie externe Expertise, aber behalten Sie die Steuerung im Haus. Und ganz wichtig: Sehen Sie die Zertifizierung nicht als Selbstzweck, sondern als Teil eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses.
Mit dem richtigen Mindset wird der ZNU Standard nicht zur Pflichtübung, sondern zum Treiber echter Veränderung. Nachhaltiges Wirtschaften beginnt mit der Entscheidung, es wirklich zu wollen.
Dr. Axel Kölle, ZNU – Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung der Universität Witten/Herdecke
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Weiterführende Informationen:
1 ZNU – Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung der Universität Witten/Herdecke
2 ZNU Standard mit leadity umsetzen und zertifizieren lassen
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